Die Bilateralen als Erfolgsmodell

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Vor genau 25 Jahren unterzeichneten die Schweiz und die Europäische Union das erste bilaterale Abkommenspaket. Fünf Jahre später folgten dann die Bilateralen II. Rückblickend lässt sich festhalten: Die Bilateralen haben sich für die Schweiz als Erfolgsmodell erwiesen.

Die EU ist und bleibt unsere wichtigste Handelspartnerin. Rund 50 Prozent unserer exportierten Waren gehen in die EU, 70 Prozent der Importe stammen aus der EU. Zudem profitieren die Regionen Zürich, Tessin, Nordwest- und Zentralschweiz von allen europäischen Regionen am stärksten vom EU-Binnenmarkt. Auch die Schweizer Arbeitnehmer:innen haben vom Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre profitiert. Insgesamt hat das reale BIP pro Kopf in der Schweiz zwischen 2000 und 2022 um 21 Prozent zugenommen, auch dank den Bilateralen. Dies entspricht einer Zunahme von rund 15 700 Franken pro Kopf. Kurz: Die Bilateralen haben dazu beigetragen, dass der Wohlstand und auch die Löhne in der Schweiz gestiegen sind.

Zahlreiche Vorteile

Insgesamt existieren rund 140 bilaterale Abkommen zwischen der Schweiz und der EU. Jedes einzelne dieser Abkommen bringt Vorteile für die Schweizer Wirtschaft, aber auch für jede und jeden von uns. Ich möchte drei Beispiele hervorheben. Dank der Personenfreizügigkeit können Schweizer Firmen unbürokratisch Arbeitskräfte aus dem europäischen Raum einstellen, wenn sich diese in der Schweiz nicht finden lassen. Dies mildert den zunehmenden Arbeitskräftemangel. Gleichzeitig haben wir grundsätzlich alle das Recht, uns in einem EU-Staat z. B. für die Arbeit oder ein Studium niederzulassen. Seit der Unterzeichnung des Schengen-Assoziierungsabkommens 2008 ist die Schweiz zudem Mitglied des Schengen-Raums. Damit kam es, mit wenigen temporären Ausnahmen, zur Aufhebung der systematischen Grenzkontrollen. Dies erleichtert tagtäglich zahlreichen Menschen und Erwerbstätigen das Leben, welche ohne lange Staus und mühsame Identitätskontrollen jenseits der Grenze arbeiten, studieren oder Familie und Freunde besuchen wollen. Diese Reisefreiheit ist auch für den Tourismus und den Kultursektor von grosser Relevanz. Das Abkommen über den Abbau technischer Handelshemmnisse (MRA) beinhaltet die gegenseitige Anerkennung von Normen und Zertifizierungen für Industrieprodukte zwischen der Schweiz und der EU. Dank diesem Abkommen können Schweizer Industrieprodukte barrierefrei in die EU exportiert werden und müssen in der EU nicht erneut in einem teuren und langwierigen Verfahren zertifiziert werden. Dies hat auch Vorteile für Schweizer Konsumenten und Konsumentinnen, denn die Preise für Produkte wie beispielsweise Waschmaschinen, Druckgeräte oder Spielzeug sind dank diesem Abkommen tendenziell tiefer. Am Beispiel des MRA zeigt sich jedoch auch die schleichende Erosion des bilateralen Wegs: Ohne Aktualisierung des MRA mit insgesamt 20 Produktekategorien würden ab 2026/2027 bis zu 60 Prozent der Schweizer Exportunternehmen ihre bisherige Teilnahme am EU-Binnenmarkt verlieren. Bei der hohen Bedeutung dieser Branchen für den Industriestandort Schweiz dürften die betriebswirtschaftlichen Anpassungskosten die Milliardenschwelle übersteigen. Das ist Geld, welches für Investitionen in innovative Produkte oder höhere Löhne für die Mitarbeitenden fehlt.

Stabilisieren & weiterentwickeln

Der bilaterale Weg mit der EU hat sich für die Schweiz bewährt. Wir sind dadurch eigenständig und frei. Es ist zentral, dass dieser Weg nun mit den Bilateralen III weiterentwickelt und stabilisiert werden kann. Dies schafft Rechtssicherheit und stärkt den Wirtschaftsstandort Schweiz in geopolitisch unsicheren Zeiten. Die Schweiz liegt mitten in Europa. Wir leben nicht hinter Mauern, sondern sind ein offenes und innovatives Land. Damit dies in Zukunft so bleibt, brauchen wir die Bilateralen III.

MonikaRühl

Monika Rühl

MONIKA RÜHL ist seit September 2014 Vorsitzende der Geschäftsleitung von economiesuisse. Im Anschluss an ihr Studium der Romanistik (Französisch und Italienisch) an der Universität Zürich absolvierte Monika Rühl die Ausbildung zur Diplomatin in Bern, Brüssel und Genf. Nach Stationen im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) war sie persönliche Mitarbeiterin von Bundesrat Joseph Deiss (2002 im EDA, 2003–2006 im Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement) und anschliessend Chefin des Leistungsbereichs bilaterale Wirtschaftsbeziehungen im Staatssekretariat für Wirtschaft SECO mit Titel Botschafterin und als Mitglied der Geschäftsleitung. 2008 wurde sie zur Delegierten des Bundesrates für Handelsverträge ernannt. Von 2011 bis 2014 leitete sie das Generalsekretariat des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung.