Bilaterale Verträge: Eckpfeiler der Beziehung Schweiz-EU?

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Am 8. März 2024 hat der Bundesrat das Mandat für die Verhandlungen mit der EU verabschiedet. Durch die Veröffentlichung des Verhandlungsmandats schuf er Transparenz und unterstrich gleichzeitig das Interesse der Schweiz an soliden und nachhaltigen Beziehungen mit der EU. Vor ziemlich genau 25 Jahren wurden die Verhandlungen zum ersten Paket der bilateralen Verträge abgeschlossen und die Abkommen unterzeichnet. Die bilateralen Verträge sind seither zu einem zentralen Element für den Wohlstand und den wirtschaftlichen Erfolg der Schweiz geworden.

Mit den bilateralen Verträgen ist ein gemeinsamer Raum entstanden

Seit dem Inkrafttreten 2002 spielen diese Verträge eine entscheidende Rolle in den Beziehungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union. Sie decken nicht nur ein breites Spektrum an Themen wie Handel und Forschung bis hin zu Migration und Sicherheit ab. Sie prägen unsere Beziehungen auch in der Tiefe, indem sie einen gemeinsamen Raum schaffen, der uns mit unseren Nachbarn und mit unserem wichtigsten Handelspartner verbindet. Der Warenhandel zwischen der Schweiz und den europäischen Grenzregionen war 2022 mit 98,7 Milliarden Franken in etwa so gross wie mit den USA.

Personenfreizügigkeit als Marktzugangsabkommen

In diesem gemeinsamen Raum bewegen sich nicht nur Waren, sondern auch Menschen Dank dem Freizügigkeitsabkommen kann die Wirtschaft in der Schweiz auf die nötigen Arbeitskräfte in der EU zurückgreifen und einen Teil des steigenden Arbeitskräftemangels in der Schweiz ausgleichen. Nur bei rund zehn Prozent der Einwanderung aus der EU in die Schweiz handelt es sich um Nichterwerbstätige, die restlichen Zugewanderten aus der EU gehen in der Schweiz einer Erwerbstätigkeit nach oder leben hier als Familienmitglieder von Erwerbstätigen. Die Erwerbsbeteiligung von EU/EFTA-Staatsangehörigen betrug 2022 entsprechend hohe 85,4 Prozent – bei gleichzeitig tiefer Arbeitslosenquote. Auch wenn die hohe Zuwanderung für die Schweiz Herausforderungen mit sich bringt, hat sie doch einen unbestrittenen Stellenwert für die Entwicklung des Wirtschaftsstandorts Schweiz.

Positive Auswirkungen auf die Sozialversicherungen

Nebenbei trägt die Personenfreizügigkeit mit der EU zur Verjüngung der Bevölkerung bzw. zur Verlangsamung der demographischen Alterung bei. Dies hat positive Effekte auf die Sozialversicherungen in der Schweiz: EU/EFTA-Staatsangehörige waren 2020 verantwortlich für 27,1 Prozent der Beiträge an die AHV, sie beziehen hingegen nur 15 Prozent der Leistungen. Der Beitrag der EU/EFTA-Staatsangehörigen zur Finanzierung der 1. Säule hat seit Einführung der Personenfreizügigkeit ausserdem stark zugenommen.

Keine Einbahnschiene

Heute leben mehr als 1,5 Millionen EU Staatsangehörige in der Schweiz. Es geht in der aktuellen Debatte dabei zeitweilen vergessen, dass die Personenfreizügigkeit auch auf individueller Ebene neue Rechte geschaffen und somit die Mobilität in Europa vereinfacht hat. Dank ihr können Schweizerinnen und Schweizer in der EU studieren, einer Erwerbstätigkeit nachgehen oder ihren Ruhestand verbringen. Mehr als 450’000 Schweizerinnen und Schweizer machen davon Gebrauch und leben derzeit in einem EU-Mitgliedstaat. Sie tragen ebenso dazu bei, dass Europa zusammengewachsen ist und vielfältige Beziehungen über Grenzen hinweg entstanden sind. Gemeinsam mit unseren europäischen Partnerinnen und Partnern werden wir auch zukünftigen Herausforderungen erfolgreich begegnen.

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Christine Schraner Burgener

CHRISTINE SCHRANER BURGENER ist seit Januar 2022 Staatssekretärin für Migration. 1991 trat sie in den diplomatischen Dienst des EDA ein und arbeitete unter anderem in Marokko und Irland. In Bern wirkte sie als Stellvertretende Direktorin der Direktion für Völkerrecht, als Generalsekretärin der internationalen Humanitären Ermittlungskommission und als Koordinatorin für Terrorismusbekämpfung. Sie war Botschafterin der Schweiz in Thailand und in Deutschland, bis sie 2018 die Funktion als Sondergesandte des UNO-Generalsekretärs zu Myanmar übernahm. Christine Schraner Burgener wuchs bis zum zehnten Lebensjahr in Tokio auf. Sie studierte Rechtswissenschaften an der Universität Zürich.